6/25/2020
89 I 80 - Schweizerisches Bundesgericht
Gemeindeammanns) eigene Gemeindeversammlungen ab und verkehrt selber mit der kantonalen
Verwaltung. Nach der Volkszählung von 1960 hat die Gemeinde Merlach 332 Einwohner mit 82
Stimmberechtigten und die Gemeinde Greng 68 Einwohner mit 17 Stimmberechtigten.
Der gemeinsame Gemeinderat von Merlach und Greng besteht seit jeher aus 5 Mitgliedern, davon vier aus
Merlach und einem aus Greng. Er wurde bisher durch die Gesamtheit der Stimmberechtigten beider
Gemeinden in einer gemeinsamen Wahlversammlung nach dem absoluten Mehr gewählt.
Für die Neuwahlen im Februar/März 1962 empfahl die Mehrheit der Stimmbürger von Greng ihren
bisherigen Vertreter Walter Straub zur Wiederwahl, während Stimmbürger von Merlach die in Greng
wohnhaften Fritz Berger und Ernst Laubscher vorschlugen.
In der Wahlversammlung vom 25. Februar 1962, an welcher 78 Stimmbürger, davon 16 aus Greng,
teilnahmen, erreichten drei bisherige Mitglieder des Gemeinderates aus Merlach das absolute Mehr. Von
den Kandidaten aus Greng erhielten Berger 31, Straub 30 und Laubscher 19 Stimmen.
Am 28. Februar 1962 reichten 13 Stimmbürger von Greng beim Staatsrat des Kantons Freiburg eine
Beschwerde
BGE 89 I 80 S. 83
ein mit dem Antrag, die Wahlhandlung zu kassieren und anzuordnen, es seien neue Wahlen in der Weise
durchzuführen, dass die Gemeinden Merlach und Greng getrennte Wahlkreise mit eigenen
Wahlversammlungen bilden; ferner sei festzustellen, dass die Gemeinde Merlach 4 und die Gemeinde
Greng einen Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat haben.
Am 4. März 1962 fand eine zweite Wahlversammlung statt, an der 80 Stimmbürger, davon 15 aus Greng,
teilnahmen. In dieser erreichte ein weiterer Kandidat aus Merlach das absolute Mehr, während Straub 34,
Berger 33 und Laubscher 10 Stimmen erhielten.
Darauf reichten 14 Stimmbürger aus Greng beim Staatsrat eine weitere Beschwerde ein, mit der sie die in
der Beschwerde vom 28. Februar 1962 gestellten Begehren erneuerten.
Der Staatsrat stellte das weitere Wahlverfahren ein, holte ein Rechtsgutachten bei Prof. W. Oswald
(Freiburg) ein und hiess dann mit Entscheid vom 9. Oktober 1962 die Beschwerden dahin gut, dass er die
ergangenen Wahlhandlungen kassierte und anordnete, die Neuwahlen seien in getrennten
Wahlversammlungen in dem Sinne durchzuführen, dass die Gemeinden Merlach und Greng ihre Vertreter
im gemeinsamen Gemeinderat im Verhältnis von 4: 1 gesondert bestimmen. Die Begründung dieses
Entscheids lässt sich wie folgt zusammenfassen: Dass für die Gemeinden Merlach und Greng ein
gemeinsamer Gemeinderat zu wählen sei und die Gemeinde Greng Anspruch auf einen Sitz in diesem
habe, sei unbestritten. Streitig und im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt sei dagegen, wie der gemeinsame
Gemeinderat zu wählen sei. Art. 231 GG stelle eine Ausnahme von Art. 2 GG, wonach in jeder Gemeinde
eine Gemeindeversammlung und ein Gemeinderat bestehe, dar und sei daher einschränkend auszulegen in
dem Sinne, dass bei Gemeinden mit gemeinsamer Verwaltung jede Gemeinde ihre Versammlung, also auch
die Wahlversammlung bewahre. Bei der Beratung des GG
BGE 89 I 80 S. 84
von 1879 habe der Regierungsvertreter im Grossen Rat erklärt, dass bei gemeinsamer Verwaltung jede
Gemeinde selbständig bleibe und die Bürger keines ihrer Rechte verlieren. Den Gemeinden sei somit das
Recht auf einen Gemeinderat bzw. auf eine angemessene Vertretung im gemeinsamen Gemeinderat und
das Recht auf eine eigene Gemeindeversammlung geblieben und den Stimmbürgern das Recht, ihr in Art.
20 und 72 ff. GG umschriebenes Stimm- und Wahlrecht auszuüben. Wieso dies aber nur für die
gewöhnliche Gemeindeversammlung und nicht auch für die Wahlversammlung gelten sollte, sei nicht
einzusehen. Wenn im Rahmen der administrativen Vereinigung der kleinen Gemeinde als Minderheit
gegenüber der grösseren als Mehrheit das Recht auf angemessene Vertretung im gemeinsamen
Gemeinderat garantiert werde, so wäre es widersinnig, es der grösseren auf anderm Wege, nämlich bei der
Bestimmung dieser Vertretung, zu ermöglichen, die Minderheit zu majorisieren. Damit diese das ihr
zustehende Mitspracherecht wirksam ausüben könne, müsse sie den ihr als am geeignetsten
erscheinenden Vertreter selber bestimmen können.
C.- Gegen diesen Entscheid haben 20 Stimmberechtigte aus Merlach und Fritz Berger aus Greng beim
Bundesgericht eine Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG eingereicht. Sie werfen dem Staatsrat Verletzung
von Art. 6 lit. b BV sowie willkürliche, mit Art. 4 BV unvereinbare Anwendung von Art. 231 GG vor und
machen im wesentlichen geltend: Wenn nach Art. 231 GG für zwei Gemeinden ein gemeinsamer
Gemeinderat zu ernennen sei, so müsse dieser auch in einer gemeinsamen Wahlversammlung gewählt
werden. Es wäre höchst ungerecht, wenn die Stimmbürger von Merlach an der Wahl des Vertreters von
Greng nicht teilnehmen könnten, da dieser auch die Gemeinde Merlach mit verwalte, und noch ungerechter
wäre es, wenn die Stimmbürger von Greng bei der Wahl der vier Vertreter von Merlach nicht mitsprechen
dürften. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 6 lit. b
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