6/25/2020
89 I 80 - Schweizerisches Bundesgericht
Schwenk c. Aargau Erw. 1 a.E.). Nun ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und
Greng von jeher in einer gemeinsamen Wahlversammlung erfolgt und dabei als Vertreter von Greng stets
der von den Stimmbürgern dieser Gemeinde Vorgeschlagene gewählt worden. Auch scheint es, dass die
Wahlen in andern vereinigten Gemeinden des Kantons bisher ebenfalls auf diese Weise durchgeführt
worden sind und dabei überall der Vorschlag der kleineren Gemeinde durchdrang. Die Stimmbürger von
Greng durften daher erwarten, dass die Mehrheit ihrem Vorschlag auch dieses Mal folgen werde. Es
erscheint daher, obwohl schon am 19. Februar 1962 in einer Wählerversammlung ein Stimmbürger aus
Merlach einen andern Kandidaten aus Greng vorgeschlagen hat, nicht als Verstoss gegen Treu und
Glauben, dass die Stimmbürger von Greng es zunächst unterliessen, gegen die Wahl in gemeinsamer
Wahlversammlung Einspruch zu erheben. Nachdem dann der erste Wahlgang vom 25. Februar 1962
gezeigt hatte, dass die Mehrheit der Wähler von Merlach ihre Stimme nicht mehr wie bisher dem von den
Stimmbürgern von Greng vorgeschlagenen Kandidaten zu geben gewillt waren, haben 13 der 17
Stimmbürger von Greng schon am 28. Februar 1962 beim Staatsrat Beschwerde erhoben.
5. Nach Art. 231 GG ist in den für die Verwaltung vereinigten Gemeinden ein Gemeinderat zu ernennen,
dessen Mitglieder so gut als möglich auf alle diese Gemeinden im Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl verteilt
werden.
BGE 89 I 80 S. 88
Dass danach die Gemeinde Merlach Anspruch auf 4 und die Gemeinde Greng Anspruch auf einen
Vertreter in dem aus 5 Mitgliedern bestehenden gemeinsamen Gemeinderat haben, ist unbestritten. Streitig
ist einzig, ob alle 5 Vertreter in einer gemeinsamen Wahlversammlung oder die Vertreter jeder Gemeinde in
einer Wahlversammlung der betreffenden Gemeinde zu wählen sind.
Bis heute ist die Wahl des gemeinsamen Gemeinderates von Merlach und Greng (und offenbar auch der
übrigen administrativ vereinigten Gemeinden des Kantons Freiburg) in einer gemeinsamen
Wahlversammlung der Stimmbürger beider Gemeinden erfolgt. Dieses Verfahren scheint kaum je zu
Anständen geführt zu haben und wurde vom Staatsrat in einem (nicht bei den Akten liegenden) Entscheid
vom 8. April 1907 als das richtige bezeichnet. Im vorliegenden Falle hat dagegen der Staatsrat deshalb, weil
die Wahl des von der Mehrheit der Stimmbürger von Greng vorgeschlagenen Kandidaten in der
gemeinsamen Wahlversammlung auf Widerstand stiess, die Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in
getrennten Wahlversammlungen angeordnet.
Diese Lösung verstösst jedenfalls nicht gegen den Wortlaut des Gesetzes, da weder Art. 231 GG noch
eine andere Bestimmung des GG vorschreibt, wie der gemeinsame Gemeinderat administrativ vereinigter
Gemeinden zu wählen ist. Fraglich kann nur sein, ob sie dem Sinne des Gesetzes widerspricht.
Wenn Art. 231 GG bestimmt, dass die Mitglieder des gemeinsamen Gemeinderates auf die Gemeinden im
Verhältnis ihrer Bevölkerungszahl "verteilt" werden, so wird damit, wie der Staatsrat mit Recht ausführt und
offenbar auch die Beschwerdeführer annehmen, jeder Gemeinde das Recht eingeräumt, im gemeinsamen
Gemeinderat verhältnismässig "vertreten" ("représentée") zu sein. Dafür genügt nicht, dass ein Mitglied in
der betreffenden Gemeinde wohnt oder, ohne dort zu wohnen, als deren Vertreter bezeichnet wird. Von
einer "Vertretung" kann
BGE 89 I 80 S. 89
sinngemäss nur gesprochen werden, wenn das betreffende Mitglied auch das Vertrauen der Mehrheit der
Stimmbürger der betreffenden Gemeinde geniesst. Eine derartige Vertretung ist aber im Falle der Wahl in
gemeinsamer Wahlversammlung nicht gewährleistet. An sich wäre es zweifellos wünschbar, dass die
Mitglieder des gemeinsamen Gemeinderates auch in einer gemeinsamen Wahlversammlung gewählt
werden. Dies kann jedoch, wie der vorliegende Fall zeigt, dazu führen, dass als Vertreter der kleineren
Gemeinde Personen gewählt werden, welche von der überwiegenden Mehrheit der Stimmbürger dieser
Gemeinde (hier: von 14 der 17) abgelehnt werden, was besonders stossend scheint, wenn die kleinere
Gemeinde wie hier nur Anspruch auf einen einzigen Vertreter im gemeinsamen Gemeinderat hat. Eine
befriedigende Lösung dieser Schwierigkeit ist nicht leicht zu finden. Im Kanton Bern, wo nach Art. 17 Abs. 3
des Gemeindegesetzes von 1917 die Minderheitspartei einen Anspruch auf angemessene Vertretung in den
nach Majorzsystem zu bestellenden Behörden und Kommissionen hat, räumte die Praxis der Minderheit ein
Vorschlagsrecht und der Mehrheit die Befugnis ein, unter gewissen Voraussetzungen einen
Doppelvorschlag zu verlangen (Kreisschreiben der Gemeindedirektion vom 1. Mai 1957, MBVR 1957 S.
226/7 Ziff. 5). Ob diese Lösung auch angezeigt und zulässig wäre, um der kleineren Gemeinde das ihr nach
Art. 231 des freiburg. GG zustehende Vertretungsrecht zu sichern, erscheint fraglich, zumal einer Gemeinde
mit nur 17 Stimmbürgern ein Doppelvorschlag unter Umständen nicht zuzumuten ist. Als zulässig erscheint
dagegen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetz die im angefochtenen Entscheid vom Staatsrat
angeordnete Wahl der Vertreter jeder Gemeinde in getrennten Wahlversammlungen. Diese Lösung hat nicht
nur den Vorteil der Einfachheit für sich, sondern entspricht auch der politischen Selbständigkeit der nur
administrativ vereinigten Gemeinden.
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